
Jonas Pauchard (2 v.r.) spricht gemeinsam mit Daniel Graf, Bea Heim, Nuria Gorrite und weiteren Personen an der Medienkonferenz der Allianz pro E-ID vom 19. August 2025 im Medienzentrum des Bundeshauses
Jonas Pauchard, Sie engagieren sich als Vertreter von Menschen mit Behinderungen für die E-ID. In welchen Momenten im Alltag würden Sie persönlich diese künftig nutzen?
Ich möchte die E-ID und elektronische Nachweise künftig in allen Situationen nutzen, in denen sie vorgesehen sind - sei es bei Behördengängen oder im Kontakt mit Unternehmen, wenn es darum geht, meine Identität auszuweisen und zu überprüfen. Für Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung ist die E-ID kein Komfort, sondern die einzige Möglichkeit, solche Vorgänge vollständig autonom und unabhängig abzuwickeln. Entscheidend ist, dass das Gesetz die Barrierefreiheit verbindlich vorschreibt. Darüber hinaus wünsche ich mir, dass auch die Wirtschaft das Potenzial der E-ID erkennt und sie überall dort einsetzt, wo elektronische Nachweise gesetzlich möglich sind. Firmen hätten damit die Gewissheit, ein sicheres und barrierefreies Identifikationstool zur Verfügung zu haben, das von allen Menschen genutzt werden kann, unabhängig von einer Behinderung. Wichtig ist aber, dass die E-ID nicht isoliert gedacht wird: Auch die Webseiten, Anwendungen und Verfahren der Anbieter selbst müssen barrierefrei sein. Sonst besteht die Gefahr, dass wir trotz E-ID an unzugänglichen Plattformen scheitern.
«Ich möchte die E-ID und elektronische Nachweise künftig in allen Situationen nutzen, in denen sie vorgesehen sind. Für Menschen mit Blindheit oder Sehbehinderung ist die E-ID kein Komfort, sondern die einzige Möglichkeit, solche Vorgänge vollständig autonom und unabhängig abzuwickeln.»
Gibt es weitere Gruppen innerhalb der Menschen mit Behinderungen, für welche die E-ID potentiell wertvoll sein könnte?
Ja, absolut. Die E-ID ist ein digitales Instrument, das allen Menschen ermöglicht, orts- und zeitunabhängig Behördengänge vorzunehmen. Für eine gehörlose Person kann das bedeuten, dass sie ein Amtsgeschäft online erledigen kann, ohne von einer Gebärdensprachdolmetschung abhängig zu sein. Für Menschen mit psychischen oder Mobilitätsbehinderungen, für die ein physischer Behördengang ein grosser Kraftakt sein kann, schafft die E-ID die Möglichkeit, Ressourcen zu sparen und diese anderweitig einzusetzen. Für Personen mit kognitiver Behinderung könnte die E-ID dann einen Mehrwert bieten, wenn der Prozess zur Erstellung und Verwendung von elektronischen Nachweisen in leichter Sprache beschrieben sowie illustriert und bei der Entwicklung der E-ID-Anwendungen dieser Aspekt ebenso berücksichtigt wird. Gleichzeitig bleibt die Wahlfreiheit bestehen: Wer die E-ID nicht nutzen will, kann seine Geschäfte nach wie vor analog abwickeln, also beispielsweise mit der Identitätskarte direkt am Schalter. Genau das macht die E-ID so inklusiv – Sie eröffnet neue Möglichkeiten, ohne die bisherigen zu verbauen. Und ganz ehrlich: Wer spart nicht gerne Ressourcen?
«Für eine gehörlose Person kann die E-ID bedeuten, dass sie ein Amtsgeschäft online erledigen kann, ohne von einer Gebärdensprachdolmetschung abhängig zu sein.»
Sie argumentieren damit, dass Teilhabe mit der E-ID besser gelingt. Wie muss ichmir das vorstellen?
Teilhabe bedeutet für mich, Vorgänge selbstbestimmt erledigen und gesellschaftlich aktiv mitgestalten zu können. Für Menschen mit Behinderungen ist das oft nicht der Fall: Wenn ich für ein digitales Verfahren auf Hilfe angewiesen bin, ist das nicht nur umständlich, sondern auch ein Hindernis. Die E-ID baut diese Hürde ab. Das Potenzial reicht aber noch weiter. Auch in die politische Teilhabe. Beim sogenannten E-Collecting, für das erste Pilotversuche geplant sind, soll die E-ID eingesetzt werden. Damit kann ich Initiativen und Referenden digital und barrierefrei unterschreiben. Ich habe die Gewissheit, dass ich das richtige Dokument vor mir habe und meine Unterschrift tatsächlich meinem Anliegen gilt. So kann ich gleichberechtigt an unserer direkten Demokratie teilnehmen.
«Wenn ich für ein digitales Verfahren auf Hilfe angewiesen bin, ist das nicht nur umständlich, sondern auch ein Hindernis. Die E-ID baut diese Hürde ab.»
Das E-ID Gesetz regelt, dass sowohl die Antragsstellung als auch die eigentliche Nutzung der E-ID barrierefrei sein müssen. Welchen Nutzen erhoffen Sie sich vondieser Regelung?
Positiv ist, dass Artikel 28 ausdrücklich festhält: Das Fedpol muss sicherstellen, dass das Verfahren zum Bezug der E-ID barrierefrei ist, und das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation BIT, dass die Anwendungen des Bundes für die E-ID zugänglich sind. Damit ist garantiert, dass Menschen mit Behinderungen die E-ID von Anfang an eigenständig beantragen und nutzen können. Kritisch sehe ich hingegen, dass private Aussteller von elektronischen Nachweisen, die ebenfalls die staatliche Vertrauensinfrastruktur nutzen, nicht verpflichtet sind, ihre Verfahren barrierefrei auszugestalten. Ich wage erfahrungsgemäss zu bezweifeln, dass private Anbieter ohne gesetzliche Verpflichtung tatsächlich barrierefreie Verfahren für den Bezug und die Verwendung von elektronischen Nachweisen schaffen. Für dieses Gesetzesmanko gilt es künftig Lösungen zu finden.
«Wer die E-ID nicht nutzen will, kann seine Geschäfte nach wie vor analog abwickeln, also beispielsweise mit der Identitätskarte direkt am Schalter. Genau das macht die E-ID so inklusiv – Sie eröffnet neue Möglichkeiten, ohne die bisherigen zu verbauen.»
Es gibt möglicherweise auch unter Menschen mit Behinderungen Personen, die skeptisch sind, zum Beispiel Bedenken in Bezug auf den Datenschutz haben. Und nicht zwingend auf die E-ID angewiesen sind. Was wünschen Sie sich von dieser Personengruppe?
Mit Bezug auf diese Bedenken möchte ich gerne die folgenden Aspekte mitgeben: Die E-ID ist freiwillig und optional. Niemand muss sie nutzen. Wer Datenschutzbedenken und keinen Nutzen für sich sieht, kann wie bisher seine Identitätskarte am Schalter vorweisen. Für Menschen mit Behinderungen ist die E-ID jedoch mehr als ein Komfort: Sie schafft erstmals die Möglichkeit, Amtsgeschäfte autonom und barrierefrei abzuwickeln.
E-ID
Mit der E-ID soll es frühestens ab Sommer 2026 allen Personen mit Wohnsitz in der Schweiz möglich sein, sich digital auszuweisen. Herausgegeben würde die E-ID vom Bund als Zusatzprodukt zu einem Pass, einer Identitätskarte oder einem Ausländerausweis, auf Wunsch auch ohne biometrische Angaben. Sie soll dezentral in der Wallet-App «swyiu» des persönlichen Smartphones gespeichert werden.
Die Pro-Seite betont den vielfältigen Nutzen der E-ID im digitalen Zeitalter: Vom Nachweis des Alters, über die sichere Bestätigung von Identitätsmerkmalen gegenüber Dienstleistenden, hin zum Beantragen von amtlichen Dokumenten im Internet: vieles soll in Zukunft mithilfe der E-ID einfacher, effizienter und sicherer möglich sein.
Die gegnerische Seite hingegen sieht Gefahren des Datenschutzes im Vordergrund, zum Beispiel durch die Abhängigkeit von privaten Softwareunternehmen oder der Möglichkeit von Cyberangriffen. Darüber hinaus befürchtet sie eine spätere Ausweitung der aktuell vorhergesehenen gesetzlichen Bestimmungen, hin zu einer Nutzungspflicht oder gar einer Überwachung aller Personen mit Hilfe der E-ID.