David Perren im Rollstuhl und eine Frau mit weissem Blinden-Stock wandern gemeinsam durch eine Berglandschaft, von hinten gesehen.

Gemeinsam unterwegs: David Perren und seine Begleiterin auf einer Wanderung in den Schweizer Bergen. Barrierefreies Reisen bedeutet für Perren gegenseitige Unterstützung. Bildnachweis: zVg.

David Perren stammt aus dem Oberwallis, lebt heute im Aargau – und reist mit Leidenschaft. Seit einem Unfall ist er im Rollstuhl unterwegs, doch davon lässt er sich nicht bremsen. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm eine Island-Rundreise: raue Natur, endlos weite Landschaft, völlige Freiheit. Als Mitarbeiter der Fachstelle «Tourismus Inklusiv» bei Procap Reisen bringt er genau dieses Freiheitsgefühl auch anderen Menschen näher – Menschen, die in der Tourismuswelt oft vergessen gehen.

«Für viele ist Reisen selbstverständlich», sagt er. «Für Menschen mit Behinderungen bedeutet es oft: doppelte Planung, höhere Kosten – oder gar Verzicht. Wir wollen das ändern.»

Mit seiner eigenen Erfahrung, seiner Offenheit und seinem Engagement ist Perren nicht nur Fachperson, sondern auch glaubwürdiger Botschafter für inklusives Reisen. In Schulungen, Beratungsgesprächen oder bei Projektbegleitungen gelingt es ihm, Brücken zu bauen – zwischen Theorie und Praxis, zwischen touristischen Anbietern und betroffenen Menschen. Sein Ziel: eine Reisewelt, in der nicht Hürden dominieren, sondern Möglichkeiten.

«Für viele ist Reisen selbstverständlich, für Menschen mit Behinderungen bedeutet es oft: doppelte Planung, höhere Kosten – oder gar Verzicht.»

David Perren, Sachbearbeiter Tourismus inklusiv bei Procap Reisen

30 Jahre Pionierarbeit – und kein Ende in Sicht

Procap Reisen feiert 2025 ein grosses Jubiläum. Was vor drei Jahrzehnten mit vier Reisen begann – zwei klassischen Ferienangeboten und zwei Sportcamps – ist heute ein breitgefächertes Angebot mit 94 betreuten Reisen im aktuellen Katalog. Von Wanderferien im Berner Oberland über Badeferien in Mallorca bis hin zu Fernzielen wie Südafrika: Barrierefreiheit kennt keine Grenzen – zumindest bei Procap.

Hinter jedem Angebot steckt intensive Vorbereitung. Das Jahresprogramm wird früh geplant. Reiseziele werden besucht, Hotels auf Herz und Rampen geprüft, Partnerorganisationen eingebunden. «Nichts kommt in den Katalog, was wir nicht selbst getestet haben. Wir arbeiten mit kompetenten Partnern für barrierefreies Reisen zusammen», erklärt David Perren. Dabei steht nicht nur die physische Zugänglichkeit der Unterkünfte im Fokus, sondern auch die Qualität der Reisebegleitung. 

Die kontinuierliche Erweiterung und Anpassung des Programms ist ein Beweis für die Innovationskraft von Procap Reisen. Ziel ist es, noch mehr Menschen mit Behinderungen zu ermutigen, ihre Reisewünsche zu verwirklichen und ihren Horizont zu erweitern – egal, ob es sich um entspannte Strandferien oder eine anspruchsvolle Bergtour handelt. «Barrierefreiheit ist eine Selbstverständlichkeit, die wir aktiv mitgestalten wollen», so Perren weiter. 

Heterogene Gruppen, individuelle Bedürfnisse

Ob mobilitätseingeschränkt, blind, gehörlos oder mit mehrfachen Einschränkungen: Die Reisenden von Procap sind so vielfältig wie ihre Geschichten «Typische Kund:innen» gibt es nicht. Manche suchen Erholung, andere Action. Junge Menschen zieht es eher in Aktivferien, ältere eher an ruhige Orte mit Pflegemöglichkeiten. Symbole im Katalog helfen bei der Orientierung, was für wen geeignet ist.

David Perren sitzt im Rollstuhl mit Sonnenbrille in einer japanischen Einkaufsstrasse und blickt in die Kamera, umgeben von bunten Schildern mit japanischer Schrift.

Reisen ohne Grenzen: Auch fernab der Schweiz testet David Perren barrierefreies Reisen – zum Beispiel in Japan. Seine Erlebnisse lässt er direkt in seine Arbeit für Procap einfliessen. Bildquelle: zVg.

Neben Gruppenreisen sind auch individuelle Ferien mit Assistenz buchbar. Wer mit Procap auf Reisen gehen möchte, erhält zunächst ein umfangreiches Formular, um darin die eigenen Bedürfnisse, Wünsche aber auch Einschränkungen zu beschreiben– und bekommt basierend darauf ein massgeschneidertes Angebot, auf Wunsch inklusive persönlicher Assistenz. Diese wird individuell organisiert – allerdings keine 24-Stunden-Betreuung.

Einziger Haken: Die Kosten. «Mit Assistenz kann der Reisepreis schnell doppelt so hoch werden», ergänzt Perren. 

Barrieren abbauen – auch im Kopf

Ein zentraler Pfeiler von Procap ist die Sensibilisierung. Die Fachstelle «Tourismus Inklusiv» leistet hier wertvolle Arbeit. Sie berät Betroffene, Tourismusorganisationen, Hotelbetreiber, sogar Reisebüros – mit Fokus auf Infrastruktur, Zugänglichkeit und praktische Alltagshilfen. Auch bei der Umsetzung von digitalen Angeboten oder der Gestaltung barrierefreier Kommunikation steht die Fachstelle mit Know-how zur Seite.

Zudem arbeitet sie eng mit Tourismusfachschulen wie der IST Zürich zusammen und sensibilisiert dort die Fachleute von morgen. Barrierefreiheit wird so nicht nur als bauliche Notwendigkeit vermittelt, sondern als Haltung – als Bestandteil einer umfassenden Service-Qualität. «Es geht nicht nur um Rampen – sondern um die eigene Haltung, um das Überwinden von sozialen, auditiven sowie visuellen Barrieren», betont Perren.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Vernetzung: Die Fachstelle bringt Betroffene, Fachpersonen und touristische Akteure an einen Tisch, begleitet Projekte vor Ort und unterstützt beim Einholen verlässlicher Informationen. Gerade Hotels oder Onlineplattformen seien oft überfordert. «Viele deklarieren Barrierefreiheit selbst – ohne Standards. Besser ist: nachfragen, verifizieren, sich beraten lassen.» 

«Barrierefreiheit ist eine Selbstverständlichkeit, die wir aktiv mitgestalten wollen.»

David Perren, Sachbearbeiter Tourismus inklusiv bei Procap Reisen

Mit ihrer Arbeit schafft die Fachstelle nicht nur Bewusstsein, sondern auch Vertrauen – ein entscheidender Faktor für Reisende mit spezifischen Bedürfnissen. «Unser Vorteil: wir organisieren selbst Reisen und sind so regelmässig mit Menschen mit Behinderungen unterwegs –  in der Schweiz und in der Welt», ergänzt Perren. 

Trotz aller Bemühungen bleibt die Realität aber oft durchwachsen: «Manchmal klappt alles – manchmal gar nichts. Wer barrierefrei reist, muss flexibel bleiben.» Das gilt besonders für individuelle Hilfeleistungen, die oft nicht planbar sind. Organisationen wie Procap Reisen leisten hier wichtige Arbeit: Sie greifen auf einen grossen Pool an freiwilligen Begleitpersonen zurück, die Menschen mit Behinderungen auf Reisen unterstützen. 

Wandern für alle 

Ein Smartphone scannt eine Wandertafel mit dem Hinweis, dass hier ein kostenloser Audioguide verfügbar ist. Die Procap-App ist geöffnet.

Barrierefreier Zugang zu Natur und Informationen dank Bluetooth-Technologie und Audioguide von Procap. Bildnachweis: zVg.

Ein Herzensprojekt von David Perren ist das barrierefreie Wandern. Gemeinsam mit Schweizmobil hat Procap mittlerweile 86 hindernisfreie Wanderwege realisiert, die mit dem Rollstuhl und auch für Menschen mit Sehbehinderung mittels einer App zugänglich sind. Die Wege weisen unterschiedliche Schwierigkeitsgrade von leicht, mittel bis schwer auf. Blinde und sehbehinderte Menschen werden via GPS und gesprochenen Texten über die Wege informiert und geleitet und können die Routen dank dieser Sprachführung begehen. Die Sprachführung ist in der App MyWay Pro integriert. 

Ein besonderes Highlight sind die neu eingeführten Audioguides, die während der Wanderung die Umgebung lebendig beschreiben. Natur, Flora, Tierwelt – alles wird anschaulich erklärt, angereichert mit Geschichten und Anekdoten aus dem Alltag von betroffenen Menschen. Für Menschen mit Sehbehinderungen stellt dies eine echte Innovation dar. «Da viele keinen QR-Code scannen können, setzen wir auf Bluetooth-Sender», erklärt Perren. Diese Technologie ermöglicht es den Wandernden, sich ohne Barrieren von der Schönheit der Natur und der Geschichte der Umgebung begeistern zu lassen, ohne auf zusätzliche Hilfsmittel angewiesen zu sein.

«Nichts kommt in den Katalog, was wir nicht selbst getestet haben.»

David Perren, Sachbearbeiter Tourismus inklusiv bei Procap Reisen

Ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur besseren Zugänglichkeit in der Schweiz ist auch die OK:GO-Initiative, ein Projekt der Stiftung Barrierefreie Schweiz, das touristische Anbieter motiviert, Informationen zur Zugänglichkeit ihrer Angebote transparent und einheitlich zur Verfügung zu stellen. Dabei geht es nicht primär darum, ob eine Unterkunft oder Aktivität vollständig barrierefrei ist, sondern dass die relevanten Informationen offen kommuniziert werden – beispielsweise Türbreiten, Stufen, Liftzugang oder sanitäre Einrichtungen. So können Reisende selbstbestimmt entscheiden, ob ein Angebot für sie geeignet ist. Die Initiative setzt auf freiwillige Beteiligung, einfache Datenerfassung und digitale Sichtbarkeit. Ein niederschwelliger, aber effektiver Ansatz, der Transparenz schafft und Vertrauen aufbaut – soweit die selbstdeklarierten Daten dann auch stimmen. 

«Es geht nicht nur um Rampen – sondern um die eigene Haltung.»

David Perren, Sachbearbeiter Tourismus inklusiv bei Procap Reisen

Fazit: Reisen darf kein Privileg sein

Das Jubiläumsjahr 2025 ist Anlass zum Feiern für Procap Reisen– aber auch zum Weitermachen. «Wir wollen, dass sich niemand mehr fragt: Kann ich überhaupt reisen?», sagt Perren. «Sondern nur noch: Wohin möchte ich als Nächstes?»