Eine Handprothese einer linken Hand mit dem Zeigefinger nach oben. Die überschrift lautet: Rob Sommerserie Nummer 2.

Da liegt der Ursprung

Du wolltest nur kurz das Regal montieren und nun rollen zwei übrig gebliebene Schrauben über den Tisch, die Wasserwaage liegt falsch herum und das Resultat wackelt. «Ich hab halt zwei linke Hände!», sagst du schulterzuckend, und lachst über deine eigene Ungeschicklichkeit. Kein Problem, oder?

Was klingt wie harmlose Selbstironie, trägt eine doppelte Körpermetapher in sich – und die ist alles andere als neutral. Die Redewendung «zwei linke Hände haben» ist historisch betrachtet ein Produkt gesellschaftlicher Vorstellungen über Geschicklichkeit, Norm und Abweichung. In vielen Kulturen gilt die rechte Hand als die «richtige», dominante, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Linkshändigkeit wurde lange mit Schwäche, Unreinheit oder gar Unerzogenheit assoziiert. Noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war es üblich, Kinder dazu zu zwingen, mit der rechten Hand zu schreiben. Dies oft gegen ihren natürlichen Impuls.

«Auch wenn es sich um eine Redewendung handelt, reproduziert sie eine Denkweise, die körperliche Abweichung symbolisch mit einem Mangel gleichsetzt.»

Noel Stucki, lebt mit einer Dysmelie

Wer also «zwei linke Hände» hat, dem fehlen – symbolisch gesprochen – Geschick, Kontrolle und soziale «Richtigkeit». In der Redewendung verbinden sich gleich zwei Abweichungen: links statt rechts, und zwei Hände, die nicht «funktionieren». 

Wir haben nachgefragt

Noel Stucki lebt mit einer Dysmelie, einer angeborenen Fehlbildung der Gliedmassen. Auf ihn trifft die Aussage gleich doppelt zu: «In meinem Fall bezieht sich die Redewendung auf eine doppelte Abweichung von der Norm – links statt rechts, eine statt zwei Hände.» Ihn persönlich trifft die Redewendung im Alltag nicht unmittelbar.«Ich empfinde sie nicht als verletzend», sagt er. Doch Stucki möchte mit seiner Einzelperspektive nicht ein breiteres Problem verharmlosen. Vielmehr nutzt er die Gelegenheit, auf die gesellschaftlichen Wirkmechanismen solcher Ausdrücke hinzuweisen.

«Eine körperliche Abweichung an eine negative Wertung zu koppeln, widerspricht einer inklusiven Sprache klar»

Noel Stucki, lebt mit einer Dysmelie

«Auch wenn es sich um eine Redewendung handelt, reproduziert sie eine Denkweise, die körperliche Abweichung symbolisch mit einem Mangel gleichsetzt.» Und genau das sei problematisch. Stucki versucht, bei der Sprache körperliche Unterschiede, Geschlecht, Herkunft und Machtverhältnisse zu bedenken. «Eine körperliche Abweichung an eine negative Wertung zu koppeln, widerspricht einer inklusiven Sprache klar», sagt er.

Welche Alternativen gibt es?

Nicht jede Redewendung mit Körperbezug ist automatisch diskriminierend, doch es lohnt sich, seinen eigenen Sprachgebrauch bewusst zu reflektieren. Wer sagen möchte, dass man handwerklich nicht besonders begabt ist, kann sich zum Beispiel so ausdrücken: «Ich bin da etwas ungeschickt» oder ganz einfach: «Das ist nicht mein Ding». Auch humorvoll kann es bleiben – aber ohne körperliche Eigenschaften negativ zu besetzen.

Denn Sprache schafft Bilder. Und wer bewusst spricht, trägt dazu bei, dass alle mitgemeint sind – unabhängig davon, ob sie rechts- oder linkshändig, einhändig oder zweihändig durchs Leben gehen. Vielleicht sagen wir künftig einfach: «Ich und Werkzeug – wir sind keine Freunde.» Klingt ehrlich. Und ganz ohne Nebenwirkungen.