
Bevor gehatet wird: Dieser Text betrifft nur einen kleinen Anteil des männlichen Geschlechts und alle anderen sind wundervolle Geschöpfe, die ich sehr schätze!
Aber hier geht es um eine ganz bestimmte Sparte, die dazu führte, dass der Hashtag Mansplaining entstand.
Es gibt ein ganz besonderes Phänomen, das anscheinend nur Frauen mit chronischen Krankheiten so richtig erleben dürfen: die seltenen, aber hartnäckigen Alleswisser. Ihr kennt sie bestimmt. Diese Ritter in glänzender Rüstung, meistens eher in schlabberigen Jogginghosen, die glauben, sie wissen seit Anbeginn der Zeit, wie man Frauen mit Krankheiten heilen kann - ganz ohne Medikamente und ohne jegliche Ahnung.
Ich bekomme regelmässig Nachrichten von Männern, die mir erklären, dass ich meine Krankheit ganz bestimmt loswerde - durch ihre Liebe. Da heisst es dann: «Wenn du nur endlich einen richtigen Mann hättest, also mich, dann wärst du bald gesund!» Aha. Logisch. Warum ist die Rheumaliga eigentlich noch nicht auf diese revolutionäre Therapie gekommen? Ich werde es gleich mal vorschlagen.
Aber es geht noch weiter. Da gibt es Männer, die diagnostizieren aus der Ferne, mit der Selbstsicherheit eines Dunning-Kruger-Professors*: «Du setzt einfach zu wenig Grenzen. Du bist zu nett und kümmerst dich zu sehr um alle Menschen. Deine Arbeit auf Social Media ist zu anstrengend!» Ach so. Danke für den Hinweis, Dr. Google. Ich wusste gar nicht, dass meine Gelenke deshalb so schmerzen, weil ich zu viel Content produziere. Am besten lösche ich alle meine Accounts und werde dir hörig - wie es sich gehört.
Und dann wären da noch die Exemplare wie mein Ex, der ernsthaft dachte, er müsse mit meiner Ärztin über mein Rheuma sprechen und ihr erklären, dass es psychisch sei. Weil er ja «sehr viel Know-how besitze», und wisse, was ich in Wirklichkeit habe. Spoiler: Ich war live dabei. Und ja, er redete die ganze Zeit - über mich und über meine Traumata, die mich glauben lassen, dass mit meinen Gelenken etwas nicht stimmen kann. Dieselbe Nummer zog er bei seiner Vorgesetzten ab, die sich interessanterweise auch nicht vorstellen konnte, dass ich so starke Schmerzen habe. Natürlich musste er es auch noch seinem Papi erklären.
Selbstverständlich wurden mir all diese Meinungen wie eine trockene Reisswaffel vor die Nase gesetzt. Die Vorträge endeten übrigens immer gleich: «Jetzt gib dir endlich mal richtig doll Mühe um endlich gesund zu werden!»
Diese Art von Mansplaining ist übrigens nicht nur nervig, sondern auch verletzend und triggert mich enorm. Sie reduziert mich nicht nur auf meine Diagnose, sondern stellt gleichzeitig meine eigene Wahrnehmung in Frage. Als ob ich nicht fähig wäre, meine eigene Realität zu kennen. Als ob ich dauernd beaufsichtigt und korrigiert werden müsste.
Und dabei geht es nicht mal nur um mich. Auch andere Frauen, die eine chronische Krankheit haben, kennen diesen Mist. Statt einem Blumenstrauss gibt’s ungefragte Ratschläge. Statt Verständnis gibt’s Besserwisserei. Statt Liebe gibt’s Bevormundung. Denn wir Frauen sind nämlich nicht krank, sondern einfach ein bisschen unfähig.
Ich habe auch hin und wieder das beunruhigende Gefühl, dass Frauen mit Krankheiten Partner anziehen, die einen am liebsten besitzen möchten. Sie gehen davon aus, dass wir einige Vorteile mit uns bringen, welche ihr nicht vorhandenes Selbstwertgefühl kompensiert: Es ist nämlich ganz schön praktisch, dass wir bestimmt nicht so schnell abgeworben werden oder sehr oft alleine sind und zudem unglaublich dankbar dafür, dass jemand es mit uns aushält. Gern wird auch betont, dass wir dankbar sein müssen für deren Liebe, denn nicht jeder Kerl würde eine solche Frau wollen.
An alle Mansplainer da draussen: Wir brauchen keinen Helden, der uns rettet. Wir brauchen keine Couch-Philosophen mit WhatsApp-Diplom und dem Zuspruch vom Papi, der dir endlich mal etwas Aufmerksamkeit schenkt. Wir brauchen Menschen, die uns ernst und für voll nehmen und uns als gleichwertig betrachten. Menschen, die anerkennen, dass wir Expertinnen für unseren eigenen Körper sind -mit all seinen Macken, Schmerzen und Ticks.
Also danke für die gut gemeinten Vorschläge. Ich bin sicher, ihr meint es vielleicht auch wirklich nett. Aber wisst ihr was? Ich bleibe lieber meine eigene Besserwisserin - denn das habe ich mir während der letzten Jahre mit meinen Krankheiten hart erarbeitet.
* Der Dunning-Kruger-Effekt beschreibt ein kognitives Phänomen, bei dem Menschen mit geringer Kompetenz in einem bestimmten Bereich ihre Fähigkeiten überschätzen. Während Menschen mit hoher Kompetenz ihre Fähigkeiten eher unterschätzen.