
Nicole Hug, Mitarbeiterin der Fachstelle E-Accessibility von PostFinance. Bildnachweis: PostFinance.
Das Navigieren auf den Internetseiten ist oft kein kurzer Klickweg, sondern Geduldsarbeit. Menschen, die über die Tasten navigieren müssen, kämpfen sich auf Webseiten durch etliche Elemente, wie Logos, Navigationsleisten und Suchfelder, bevor sie zum eigentlichen Inhalt gelangen.
Schneller ans Ziel
Dass das auch einfacher geht, zeigt PostFinance mit den Sprunglinks. Sie sind am Anfang einer Webseite platziert und vereinfachen es, mit der Tastatur zu steuern. Nutzer:innen, die den Computer etwa infolge einer Körperbehinderung oder Sehbehinderung ohne Maus bedienen, können mittels Sprunglinks direkt zum Hauptinhalt der Webseite oder auf weitere Seitenbereiche springen. Die Sprunglinks stellen eine der Werkzeuge der Barrierefreiheit dar und sind insbesondere bei komplexen digitalen Lösungen, wie E-Banking, nützlich.
Barrierefreiheit als Basislösung für alle
«Wir bieten Lösungen, die alle unsere Kund:innen nutzen können. Egal mit welchem Hintergrund, welchen Behinderungen, welchen Fähigkeiten oder welchem Alter», bekräftigt Nicole Hug, Mitarbeiterin der Fachstelle E-Accessibility von PostFinance und ergänzt: «Ganz gleich, ob es um Bildschirmvergrösserungen oder Screenreadern geht.»
«Wir bieten Lösungen, die alle unsere Kund:innen nutzen können. Egal mit welchem Hintergrund, welchen Behinderungen, welchen Fähigkeiten oder welchem Alter.»
PostFinance bietet eine Reihe von digitalen Kontaktpunkten. Zusätzlich zu den Zugriffstasten achtet sie auf Sprunglinks, einen Fokusrahmen, ein Farbprofil mit gutem Kontrast, die Grösse der Schrift und Felder sowie eine einfache und gut verständliche Darstellung. Zudem kann auf der Website der Dunkelmodus aktiviert werden. Alle können von diesen Zugängen profitieren, auch Menschen mit altersbedingten Einschränkungen. «Die Kund:innen können also mit PostFinance alt werden», versichert Hug.
Transparenz über Zugänglichkeiten
Auf der Website, unter «Rechtliches und Barrierefreiheit» leicht zu finden, veröffentlicht PostFinance eine Konformitätserklärung. Darin hält sie fest, welche Zugänge sie bei ihren online Diensten anbietet. Es finden sich dort auch Hinweise, wie die Anwender:innen mit Behinderungen die Webseiten bedienen können, beispielweise welche Zugriffstasten für welche Funktionen zur Verfügung stehen.
PostFinance geht noch weiter und zeigt in der Konformitätserklärung auf, wo noch Mängel bestehen und an welchen Verbesserungen sie arbeitet. «Wir wissen, dass auch wir nicht 100 Prozent barrierefrei sind und immer noch Potenzial haben uns zu verbessern», erläutert Hug.
«Wir wissen, dass auch wir nicht 100 Prozent barrierefrei sind und immer noch Potenzial haben uns zu verbessern.»
Viele Betriebe haben keine Konformitätserklärung auf ihrer Webseite. Warum das so ist, dazu kann man nur Vermutungen anstellen, findet Dr. Andreas Uebelbacher von der Stiftung «Zugang für alle». Einerseits könne das darauf hinweisen, dass das Bewusstsein dafür fehle, wie hilfreich solche Erklärungen seien. Andererseits «verbirgt sich vielleicht dahinter die Befürchtung, zu viele Mängel offenzulegen, wenn der Stand der Webseite noch nicht dort ist, wo er sein müsste und die verantwortlichen Stellen die Transparenz darüber fürchten», mutmasst Uebelbacher. Er hofft, dass Betriebe zumindest im Hintergrund an der Zugänglichkeit der Webseite und Apps arbeiten.
Fehlende Zugänglichkeiten bei Externen
Hug von PostFinance wünscht sich, dass die Barrierefreiheit in der digitalen Gesellschaft besser verankert ist. «Oftmals stossen wir an Grenzen, wenn wir mit Drittanbietenden zusammenarbeiten, bei denen die Barrierefreiheit noch kein Thema ist», räumt Hug ein. Die nicht zugängliche PDFs, etwa werden extern erstellt, und sind zu komplex für eine Nachbearbeitung. Leider seien solche Problematiken noch Teil des Alltags, sagt Hug und fügt an: «Hier sehe ich es als unsere Aufgabe, dranzubleiben. Und wir versuchen unseren Kund:innen soweit wie möglich eine Alternative anzubieten.»
Der Gewinn der Barrierefreiheit
Hug legt dar, welchen Nutzen die Zugänglichkeiten haben: «Barrierefreie digitale Dienste haben oftmals den Vorteil, technisch sauber zu sein.» Ein Schalter, zum Beispiel, habe nicht nur das Aussehen eines Schalters, sondern auch die Rolle eines Schalters. Letzteres ist für den Zugriff mit Screenreader entscheidend. Überdies wirke die Struktur einer Seite, die barrierefrei aufgebaut ist, aufgeräumter und stimmig. Denn bei den Tests auf die Zugänglichkeiten werden häufig Unschönheiten entdeckt, die dann behoben werden können. Deshalb «dient eine barrierefreie Darstellung auch der allgemeinen Benutzerfreundlichkeit», folgert Hug.
«Eine barrierefreie Darstellung dient auch der allgemeinen Benutzerfreundlichkeit.»
Sicherheit durch Tests
PostFinance lässt ihre digitalen Dienstleistungen von blinden Testenden prüfen, welche tagtäglich mit Screenreadersoftware arbeiten. Parallel dazu testen Sehende die anderen Tools, wie Kontraste, Fokusrahmen, Grösse der Schrift und Felder.
«Der wichtigste Punkt überhaupt ist, dass unsere Produkte von Menschen mit Behinderungen selbst getestet werden.» Denn PostFinance könne die Anforderungen beachten und lernen, wie die technische Lösung aussieht. Aber das könne einen Schlusstest mit betroffenen Personen nicht ersetzen, betont Hug und fügt hinzu: «Die Tests durch Anwender:innen mit Behinderungen geben uns eine Sicherheit, dass unsere Lösungen technisch und strukturell in Ordnung und bedienbar sind.» Und da dies auf Code Ebene passiere, hätten sie die Gewissheit, dass die Basis auch für andere technologische Hilfsmittel funktioniere.
Qualität statt Kosmetik
Expert:innen für digitale Barrierefreiheit von der Stiftung «Zugang für alle» beraten und begleiten PostFinance. Die Meetings mit diesen Expert:innen beschreibt Hug als sehr konstruktiv und wertvoll. «Wir lernen auch nach all den Jahren immer noch dazu, weil es immer neue Entwicklungen und Punkte gibt, die wir diskutieren müssen, zum Beispiel welche Lösung idealer ist.» Hinzu komme, dass sie durch den zusätzlichen Blick von aussen wissen, dass sie qualitativ gute Lösungen bieten. «Das gibt ein gutes Gefühl.»
Hug plädiert für die Zusammenarbeit mit Fachexpert:innen. «Vorsichtig wäre ich bei Versprechen von Software-Lösungen, die das Ziel haben in kürzester Zeit und mit einem Knopfdruck zugänglich zu sein. Dies hätte zur Folge, dass eher kosmetische Anpassungen gemacht werden, die dem Ziel, langfristig barrierefrei zu sein, aber nicht wirklich dient.»
«Das Ziel barrierefrei zu sein und es auch zu bleiben, bedeutet ein ständiger Prozess.»
Mehr als nur ein Gesetz
Als bundesnaher Betrieb ist PostFinance dazu verpflichtet, für Menschen mit Behinderungen zugänglich zu sein. Aber Hug unterstreicht, dass barrierefreie Dienstleistungen viel mehr als ein Gesetz seien: «Ich denke, dass es wichtig ist, das Bedürfnis und die Wichtigkeit der digitalen Barrierefreiheit zu verstehen. Sie sind eine Grundvoraussetzung für viele Menschen für ein selbstbestimmtes Leben.»
Barrierefreiheit als Prozess
Hug weiss aus Erfahrung, dass digitale Zugänglichkeit, «wenn sie neu eingeführt wird, einen grossen Impact auf das Unternehmen hat.» Da die Barrierefreiheit von Anfang an in die Prozesse einfliessen müsse, wenn ein Produkt angedacht, entwickelt und ausgewertet wird. Alle Beteiligten, etwa die Projektleiter:innen und Entwickler:innen müssen dafür sensibilisiert werden. Hat das Unternehmen die Basis für die Barrierefreiheit gelegt, sich das dazugehörige Knowhow aufgebaut und einen laufenden Wissensaufbau gesichert, sei es danach einfacher.
Voraussichtlich 2027 tritt die Teilrevision des Behindertengleichstellungsgesetzes BehiG in Kraft. Dieses enthält auch Bestimmungen für privatwirtschaftliche Anbieter:innen, ihre Dienstleistungen barrierefrei gestalten zu müssen. Einschliesslich der digitalen Angebote.
Hug empfiehlt, sich immer wieder einen Überblick zu verschaffen, wie barrierefrei die Dienstleistungen bereits seien. Danach können die gefundenen Lücken priorisiert und Schritt für Schritt behoben werden. Denn «das Ziel barrierefrei zu sein und es auch zu bleiben, bedeutet ein ständiger Prozess.»