
Symbolbild: Die elektronische Identität (e-ID) ist die digitale Form eines Ausweises. Bildnachweis: RoB, admin.ch (Handy-Screen).
Wenige Tage nach der deutlichen Ablehnung der E-ID an der Urne im Jahr 2021 drückte das Parlament auf die Tube. Mehrere parallel eingereichte Vorstösse forderten eine neue elektronische Identitätskarte für die Schweiz, über die Schweizer:innen nun am 28. September 2025 abstimmen. Nur viereinhalb Jahre später steht nicht nur das neue Gesetz, sondern auch die technische Grundlage. Wer will, kann in einem Beta-Test die elektronische Identität mit der App «Swiyu» schon ausprobieren.
Die neue E-ID unterscheidet sich stark von der alten Vorlage. Der entscheidende Unterschied: Während 2021 private Unternehmen die E-ID hätten ausstellen und verwalten sollen, übernimmt nun der Staat die komplette Kontrolle. Dementsprechend haben die damaligen Gegner:innen das Lager gewechselt und weibeln nun für ein «Ja». Dagegen sind die SVP, die Piratenpartei oder die Gruppe Massvoll.
Die Angst vor Überwachung
Die Befürworter:innen betonen den verbesserten Datenschutz, einfachere Behördengänge, weniger Hürden beim Online-Einkauf und die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Schweiz. «Es geht um einen wichtigen Service public fürs 21. Jahrhundert», sagte Grünen-Nationalrat Gerhard Andrey an einer Medienkonferenz zum Thema. Der Freiburger IT-Unternehmer ist einer der führenden Köpfe hinter dem E-ID-Gesetz, über das die Bevölkerung Ende Monat nun abstimmt.
«Die E-ID liegt auf dem Handy der Besitzer:innen, so wie der Pass zuhause in der Schublade liegt.»
Die Kritiker:innen befürchten, dass die E-ID nicht freiwillig sei oder bleibe, die Anonymität im Internet ausheble oder die Schweiz zu einem Überwachungsstaat umfunktioniere. Der Staat könne trotz dezentraler Speicherung durch die zentrale Ausstellung Bewegungsprofile erstellen oder nachverfolgen, wann und wo die E-ID verwendet wird, sagen sie. Die Kritik zielt weniger auf die Technik als auf die gesellschaftliche Entwicklung hin zu immer mehr Identifikation im Netz. Die entscheidende Frage hinter der E-ID-Abstimmung ist also unter dem Strich: Vertraue ich dem Schweizer Staat – oder tue ich es nicht?
Staatliche Kontrolle, dezentrale Datenhaltung
Bei einem «Ja» an der Urne wird die E-ID vom Bundesamt für Polizei (fedpol) herausgegeben und verwaltet. Nutzer:innen, die die E-ID bestellen, können dies wahlweise im Passbüro oder online tun. Bei Letzterem speichert der Bund biometrische Daten während höchstens 15 Jahren, bei Ersterem werden sie gelöscht. Nach der Ausstellung liegt die E-ID auf dem Handy der Besitzer:innen, nicht beim Bund. Dieser fungiert lediglich als Aussteller und bestätigt die Echtheit der Daten, mehr aber auch nicht. So wie der Pass zuhause in der Schublade liegt.
«Eine E-ID würde Menschen mit Behinderungen im Alltag mehr Selbstbestimmung, Teilhabe, Autonomie und Privatsphäre bringen.»
Wird die E-ID bei einer Online-Transaktion eingesetzt, entscheiden die Nutzer:innen, ob und welche Daten sie an den Dienstleister oder die Behörde übermitteln wollen. Das Gesetz erlaubt nur die Abfrage von Daten, die im Einzelfall wirklich nötig sind. Muss jemand beispielsweise bestätigen, erwachsen zu sein, darf nur das Attribut «Ü18» übermittelt werden – nicht das exakte Geburtsdatum oder andere persönliche Daten. Wird mehr verlangt als nötig, kann man die Transaktion abbrechen oder den Dienstleister sogar melden.
Wie Menschen mit Behinderungen profitieren können
Die E-ID kann zum Katalysator der Verwaltungsdigitalisierung werden. Richtig umgesetzt lassen sich etwa Betreibungsauszüge bestellen, Baugesuche einreichen oder sogar Firmen gründen, ohne einen Fuss vor die Türe zu setzen. Besonders Menschen mit Behinderungen profitieren von der digitalen Lösung: Sie können Behördengänge selbstständig erledigen, ohne auf Begleitpersonen angewiesen zu sein. «Eine E-ID würde Menschen mit Behinderungen im Alltag mehr Selbstbestimmung, Teilhabe, Autonomie und Privatsphäre bringen», sagte Inklusionsaktivistin Vanessa Grand in der Sendung «Arena» im Schweizer Fernsehen.
«Die entscheidende Frage hinter der E-ID-Abstimmung ist also unter dem Strich: Vertraue ich dem Schweizer Staat – oder tue ich es nicht?»
Für Dienstleistungen von Behörden schreibt das Gesetz eine Pflicht vor, auch weiterhin Offline-Alternativen anzubieten. Das gilt für private Unternehmen nicht. Banken, Versicherungen oder Online-Shops könnten die E-ID für Identitätsprüfungen nutzen. Wenn sie wollen, können sie ihre Kund:innen sogar dazu zwingen, weil das Gesetz keine Alternativen vorschreibt. Ob das passiert, ist offen. Der Bund wird eine öffentliche Liste wenig vertrauenswürdiger Anbieter führen und stuft gemeldete Unternehmen entsprechend ein.
Die E-ID-Abstimmung entscheidet letztlich über das Vertrauen in den digitalen Staat. Während Befürworter:innen die Chancen für Verwaltung und Wirtschaft betonen, warnen Kritiker:innen vor schleichender Überwachung. Am 28. September zeigt sich, ob die Schweiz bereit ist für den nächsten Digitalisierungs- und Inklusionsschritt.
Abstimmung E-ID am 28. September
Inclusion Handicap, Agile und der Verein für eine inklusive Schweiz sprechen sich für ein «Ja» zur E-ID am 28. September aus.