Annette Cina an den Gesundheitstagen Basel 2025. Bildnachweis: Urs Reimer.
Wenn das Beziehungsfundament bricht
Der Mensch ist ein Beziehungswesen, das auf Bindung und Sicherheit angewiesen ist. Intime Partnerschaften spielen eine zentrale Rolle, da sie nicht nur emotionalen Halt geben, sondern auch die Zukunftsplanung entscheidend bestimmen. Wenn diese Basis wegbricht, empfindet das Gehirn die Situation als lebensbedrohlich.
Die Psychologin erklärte, dass Liebeskummer zwei Reaktionen auslöst. Zum einen eine physische Reaktion. So schütten die Nebennieren bei Trennung oder deren Androhung in hohem Masse Cortisol und Adrenalin aus. Die Folgen können Schlafstörungen, Appetitlosigkeit oder -Zunahme sowie eine anhaltende Anspannung sein. Zum anderen reagiert die Psyche mit einem Gefühlschaos: Das Spektrum der Emotionen reicht von Wut, Angst, Ohnmacht und Verzweiflung bis hin zu Schuldgefühlen und Scham.
Hinzu kommt in der ersten Phase das Dopamin, das einen starken Aktivitätsdrang auslöst, den Ex-Partner zurückzugewinnen. Lässt dieser Drang nach, folgt oft ein Motivationsabfall durch die Ausschüttung von Noradrenalin, was zu einer Depression führen kann.
«Das Spektrum der Emotionen reicht von Wut, Angst, Ohnmacht und Verzweiflung bis hin zu Schuldgefühlen und Scham.»
Die vier Phasen der Verarbeitung
Die Verarbeitung des Liebeskummers erfolgt typischerweise in vier Phasen, wobei Anette Cina betonte, dass jede Phase, besonders bei tiefen Beziehungen, längere Zeit andauern kann.
Zuerst steht die Phase des «nicht wahrhaben wollen»: Schock und Verleugnung dominieren, man versucht, die Kommunikation aufrechtzuerhalten. Darauf folgt ein Ausbruch der Gefühle, wie Wut, Trauer und Verzweiflung. Anschliessend lässt der aktive «Kampf» nach. Mit der dritten Phase, der Akzeptanz, wird die Realität der Trennung angenommen. Das Bewusstsein für den Schmerz und die Bewältigung wachsen. In der vierten und letzten Phase geht der Blick nach vorne, auf die Gestaltung eines neuen Lebens. Man ist wieder offen für soziale Kontakte und neue Erfahrungen.
«Die Expertin hielt fest, dass Männern und Frauen Liebeskummer im Grossen und Ganzen gleich empfinden und auch dieselben Strategien zur Heilung beitragen.»
Hindernisse und Strategien auf dem Weg zur Heilung
Im Zentrum des Referats stand die Bedeutung, Blockaden zu erkennen und aufzulösen. Scham und Schuldgefühle sowie persönliche Schuldzuweisungen - egal, ob gegen sich selbst oder den Ex-Partner, die Expartnerin gerichtet - verlängerten den Prozess unnötig.
Häufig liege der Grund für solche Blockaden in einer Idealisierung des Ex-Partners, der Ex-Partnerin erklärte Annette Cina. Diese führe oft dazu, dass man an einem gescheiterten Lebenstraum festhalte. Auch das Festhalten an ungeklärten Fragen stärke nur Vorwürfe und unterhalte die Hoffnung auf Rückkehr.
Mit folgendem Verhalten könnte der Liebeskummer gemindert werden. Die Expertin empfiehlt, wieder aktiv auf Freunde zuzugehen. Regelmässige Mahlzeiten einzunehmen. Einen gute Schlafkultur zu pflegen und wenig Alkohol zu trinken. Dem Körper mit bewusstem Atem, Sport oder Musik Gutes zu tun. Die eigenen Gefühle zu akzeptieren und die Dinge selbstreflexiv klar zu benennen.
Stärkende Gedanken bewusst einsetzen. Bildnachweis: Urs Reimer.
Unerwartete Begegnungen meistern
Bei unerwarteten Begegnungen solle man nicht davonlaufen, sondern durchatmen und Augenkontakt halten, um keine unnötige Angst zu erlernen. Bei Treffen mit dem neuen Partner des Expartners, der Expartnerin wiederum sollte man auf die eigenen Gefühle achten und sich bei Überforderung zurückziehen.
Die Expertin hielt fest, dass Männern und Frauen Liebeskummer im Grossen und Ganzen gleich empfinden und auch dieselben Strategien zur Heilung beitragen.
Warnsignale für ein ungesundes Mass an Liebeskummer seien Schlafstörungen und chronische Müdigkeit, sowie körperliche Symptome wie Herzschmerz. Sollten diese auftreten, empfiehlt Annette Cina professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
«Es ist schön, wenn Freunde in dieser Zeit ehrliche Unterstützung bieten», sagte sie. Dies beinhaltet vielleicht auch, einmal in der Nacht ans Telefon zu gehen. Am besten lege man die Spielregeln für diese Stressphasen schon vorher fest. Und spreche empathisch ab, wann das «Batman-Signal» den Nachthimmel erleuchten darf und wo die eigene Belastungsgrenze liegt.
Das Referat hat viele Prozesse rund um den Liebeskummer beleuchtet und aufgezeigt, dass es seine Zeit dauert, um diese zu bewältigen. Aus dieser Erfahrung kann man gestärkt herausgehen, sodass ein Neustart in eine neue Begegnung mit Tiefe besser gelingt.
Box zur Person & Buchtipp
Annette Cina, Dr. phil., Psychologin und Psychotherapeutin, arbeitet als Koordinatorin am Institut für Familienforschung und -beratung an der Universität Freiburg und als Psychotherapeutin in eigener Praxis. Sie ist zudem als Referentin tätig und Autorin zahlreicher psychologischer Ratgeberartikel. Sie hat ein Buch zu Liebeskummer geschrieben, das im Beobachter-Verlag erschienen ist.